Naturnahe Nister - Wunsch und Wirklichkeit
Vortrag von Diplom-Geograph Frank Steinmann am 06. März 2023
Resuemee von Katja Heuzeroth und Frank Ebendorff-Heidepriem
Der Veranstalter NABU Rennerod freute
sich über das rege Interesse. Mit fast hundert Zuhörern
kam ein Publikum aus Anwohnerinnen und Anwohnern, Forstleuten und Landwirten, beruflichen und ehrenamtlichen NaturschützerInnen
sowie aus Lehrkräften und Medienvertretern.
Die Große Nister ist bekannt mit ihrem malerischen
Unterlauf durch die Kroppacher Schweiz. Gewässerökologe Steinmann zeigte an diesem Abend, wie es um den wenig beachteten Oberlauf steht. Klimawandel, Abwässer und Überdüngung schädigen
das Fließgewässer und seine Bewohner,
die auf kaltes, klares Wasser und eine Bachsohle aus durchlässigem Kies angewiesen sind. So war der erste Teil des Vortrags auf
Grundsätzliches gerichtet, unsere Lebens- und Wirtschaftsweise wurde kritisch beleuchtet. Zu den Ideen für einen besseren Umgang mit der Natur gab es ebenfalls Buch-Tipps.
Weiter berichtete Gewässerökologe Steinmann von der
drastische Abnahme der Wassermenge seit
den 50er Jahren bei zunehmenden Einleitungen und Abschlägen der Kläranlagen. Durch den Klimawandel kommt es zu vermehrten Starkregenereignissen, die immer wieder Mischwasserbecken zum Überlaufen bringen. Die
Anwohner des Hohen
Westerwaldes zeigten sich entsetzt über ihre
heimischen Wiesen, die mehrfach im Jahr nach solchen Wetterereignissen mit Fäkalien und Hygieneartikeln überschwemmt werden. Die Bilder der Verschmutzung durch Mischwasseranlagen und
Gülleausbringung waren schwer zu
ertragen, besonders für Wasser- und Flächenbewirtschafter, die auch zum Vortrag
gekommen waren. Aber es gab keine direkten
Schuldzuweisungen. Die Mehrheit fühlte sich betroffen: unsere Abwässer - ein ungelöstes Problem!
Die Bilder von Kranichen, die hier rasten und vom
Biber, der hier einen neuen Lebensraum gefunden hat, zeigten aber auch, dass dieser Lebensraum immer noch einen Wert hat.
Dipl.-Geograph Steinmann führte uns in Bildern entlang des Oberlaufs der Großen Nister. Der neu ausgebaute
Quellbereich hat wenig Natürliches. Die kurz darunter begonnenen Renaturierungen mit dem Entfernen der Betonrinne lassen uns auf eine bessere Zukunft hoffen. Grundsätzlich aber ist der
Bach-Lebensraum mit der Forelle als bekannteste Fischart von sommerlicher Austrocknung bedroht und so spielt die Beschattung durch Weiden und Erlen an seinen Ufern eine ganz wesentliche Rolle.
Schwarzerlen sind nicht nur für die Beschattung und als Biotop für Vögel und Fledermäuse wichtig; ihre Wurzeln bilden einen bachbegleitenden Lebensraum, der essentiell ist für Krebstiere und
Jungfische. Jedoch wurde am Oberlauf in Bereichen mit geringerem Gefälle die Nister schon vor Jahrhunderten begradigt, der umgebende Auwald gerodet, zugunsten von Wiesen und Weiden die oft direkt
an das Fließgewässer heranreichen, welches in die Tiefe erodiert und den Kontakt zum Umland verliert. Der natürliche Bachlauf wird auch von kleinen Wasserkraftwerken zerschnitten. Für eine
„effiziente“ Stromerzeugung liegt die Nister auf mehreren hundert Metern vom späten Frühjahr bis in den Herbst hinein komplett trocken. Dadurch wird die Dynamik des Baches empfindlich gestört und
die laut Europarecht vorgeschriebene Durchgängigkeit von Fließgewässern unterminiert, d.h. das unter anderem das bedrohte Wanderfischarten nicht ziehen können und Entwicklungsstadien von Insekten
absterben.
Fast wie ein Wunder erschienen da die schönen und
lebendigen Bilder aus der naturnahen, noch intakten Bachaue unterhalb mit einer Vielzahl besonderer Bewohner wie Bachneunauge, Bachflohkrebs und zahllosen Köcherfliegenlarven
unter den Steinen, die Frank Steinmann
zum Abschluss seines Vortrags brachte. Das ist nur möglich auf Grund der
Selbstreinigungskraft des fließenden Wassers. Die
Gewässermorphologie im Hohen Westerwald
zeigt einmalige Strukturen, ist aber auch besonders empfindlich und fragil, da es nur noch wenige Inselhabitate gibt. Deshalb müssen intakte
Bachauen unbedingt geschützt und wo
möglich erweitert werden.
Der Referent bekräftigte, dass ein guter
ökologischer Zustand und der Erhalt der Biodiversität nur mit zeitgemäßen Konzepten und einer guten interdisziplinären Zusammenarbeit möglich sind, um sich an die Folgen des
Klimawandels anzupassen.
Dass dies gelingen kann, macht Hoffnung, wenn wir
betrachten, wie viele Interessierte diesen Vortrag verfolgten und in den anschließenden Gesprächen die einzigartige Nisterlandschaft im Hohen Westerwald für einen schützenswerten
Lebensraum erachteten.
Wir vom NABU meinen, es ist machbar, mehr
schattenspendende Gehölze und Auwaldstrukturen an den Oberlauf der Nister zu bringen. Als Ausgleich für die Landwirte könnten Randstreifen abgestorbener Fichtenforste in Grünland
umgewandelt werden. Wir wollen, dass
artenreiche Wiesen und Weiden mit einer besonderen Insekten- und Vogelwelt weiterhin engagiert geschützt werden. Auwald-Strukturen, dort wo
sie passen am Bach, müssen dem nicht
entgegenstehen, denn sie helfen Wasser als lebenswichtiges Element auch für die Wiese länger zu halten.
Wir schlagen vor, an Tagen der offenen Tür sollen Betreiber Möglichkeiten und Grenzen unserer Kläranlagen den Bürgern erklären und Verbesserungskonzepte vorstellen. Neben höheren öffentlichen Mitteln soll auch um freiwillige Unterstützung z.B. durch ein Projekt Nisterpaten geworben werden. Abwassergebühren allgemein jetzt weiter zu erhöhen, ist in Zeiten stark gestiegener Energiekosten, die Bürger und Familien mit kleineren Einkommen außerordentlich belasten, nicht zumutbar.
Am Ende eines bewegenden und ausführlichen Vortrags reichte der Montagabend nicht mehr zur großen Diskussionsrunde. Wir vom NABU Rennerod und NABU Bad Marienberg zusammen mit Gewässerökologe Steinmann möchten weitere Veranstaltungen dazu anbieten.
Sollten Sie Interesse an einer Nister-Patenschaft oder an einem weiteren Engagement für die Nister und ihre Nebenflüsse haben, wenden Sie sich bitte an Frank Ebendorff, Tel. 0160-95111860 oder an Ludwig Schürg, Tel. 02661-7533.
Luftbild vom offenen, unbeschattendem Oberlauf der Nister in der Sommerdürre. Bäume entlang der Nister würden den Bach abkühlen und die Organismen darin schützen. Außerdem führt die begradigte Fließstrecke dazu, dass sich der Bach immer tiefer in den Untergrund eingräbt und seinen Kontakt zum Umland verliert.
Luftbild vom naturnahen Oberlauf durch Auwald. Die Verklausung aus Totholz dient verschiedenen Lebewesen als Unterschlupf. Der Bach muss dieses Hindernis umgehen, entwickelt verschiedene Fließgeschwindigkeiten und gewinnt neue Flächen hinzu.
Dieses Foto zeigt im Oberlauf der verschmutzten Nister einen Algenteppich. Er entsteht durch Einleitungen von zu viel Nährstoffen aus dem Umland der Nister - z.B. Gülle aus umliegenden Äckern. Zu hohe Wassertemperaturen, Wassermangel und geringe Fließgeschwindigkeit der Nister verstärken noch Verschlammung und Algenwuchs
So sollte es aussehen. Ein noch ursprüngliches Stück Auwald der oberen Nister. Reichlich beschattet haben Pflanzen und Tiere in und an der Nister optimal Lebendbedingungen.